Die Geburt von LiBERO

Im November 2005 feierte ZEUS – das Sozialpädiatrische Zentrum in Wolfsburg – sein 20-jähriges Jubiläum. In einer Pause sprach ich mit Frau Boschulte über LiBERO. Wie ist der Name entstanden?

Die Gründung von LiBERO an einer Universitätskinderklinik  ist im Zusammenhang mit der Geschichte der Neuropädiatrie zu verstehen.

Die Universität Göttingen darf für sich in Anspruch nehmen, als erste in Deutschland in ihrer Kinderklinik einen Lehrstuhl für Neuropädiatrie eingerichtet zu haben. Zwar entstanden in den 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts vielerorts Arbeitsgruppen, die sich mit neurologischen Erkrankungen des Kindes beschäftigten, vorzugsweise mit Epilepsien und Zerebralparesen, die Vielzahl anderer Störungen des kindlichen Nervensystems fand dabei aber weniger Aufmerksamkeit. Teilweise behandelten Neurologen diese kranken Kinder, teilweise wurden sie in der Allgemeinpädiatrie versorgt.

Herr Prof. H. Bauer, Ordinarius für Neurologie an der Göttinger Universität, erkannte die damit verbundenen Defizite zu Lasten der Patienten früh und schuf gemeinsam mit seinem pädiatrischen Kollegen Prof. Joppich die Abteilung und den Lehrstuhl Pädiatrie mit Schwerpunkt Neuropädiatrie als Teil der Kinderklinik. Zum Leiter wurde Herr Prof. Schulte (später Hamburg) ernannt, als dessen Nachfolger ich 1985 berufen wurde.

Wie mein Vorgänger F. Schulte bin ich Facharzt für Kinderheilkunde und hatte von 1969 bis 1972 im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes in England meine Weiterbildung in pädiatrischer Neurologie betrieben.

Zwei Dinge wurden mir dabei sehr rasch klar: Die neurologischen Erkrankungen im Kindesalter sind viel komplexer als damals allgemein angenommen wurde und verlaufen anders als bei Erwachsenen. Krankheiten des Nervensystems können nicht nur akut krank machen, sondern auch die normale Entwicklung des Kindes stören. Ganz besonders zeigt sich das am Nervensystem. Einerseits ist das kindliche Gehirn empfindlicher (vulnerabler) andererseits besitzt es aber auch mehr Kompensationsmöglichkeiten als beim Erwachsenen. Krankheiten des Nervensystems zeigen deshalb bei Kindern Besonderheiten, die auch eine spezielle Diagnostik und Therapie erfordern. Es galt diese Besonderheiten den Fachleuten und der Allgemeinheit bewusst und verständlich zu machen, um so den betroffenen Kindern besser helfen zu können.

Die Göttinger Neuropädiatrie hat sich seit Beginn darum bemüht, alle neurologischen Störungen im Kindesalter zu erfassen und zu behandeln. Das ist nicht nur ein weites Feld, sondern auch eine gewaltige Aufgabe, die alle Beteiligten sehr rasch an ihre Grenzen führt.

Ärztliches Handeln allein genügt nicht, um hier zu helfen.

Es war deshalb zwingend notwendig, eine Struktur zu finden, in deren Eltern und Therapeuten gemeinsam für die erkrankten Kinder tätig werden können; im Besonderen auch mit Blickrichtung auf die Kostenträger und die Öffentlichkeit.

Herr Prof. H. Bauer, der sich damals bereits im Ruhestand befand, hat uns hierbei auf allen Ebenen unterstützt. Er war von der Idee eines Trägervereins für Kinder mit Erkrankungen des Nervensystems sehr angetan, ja man kann fast sagen begeistert. So habe ich auch mit ihm über einen Namen für unseren neu zu gründenden Verein gesprochen. Kurze Zeit später erhielt ich einen Anruf und Prof.  Bauer schlug den Namen LiBERO vor. Wir alle fanden diesen Namen gut – heute darf man sagen, es war eine fast genial  zu nennende Namensgebung.

Vor wenigen Tagen habe ich Prof. Bauer wieder einmal getroffen und mit ihm über diese Namensgebung und die Bedeutung des Wortes LiBERO gesprochen.

LiBERO kommt aus dem Lateinischen und heißt: der Freie. Heute verbindet man damit mehr die Position des Libero im Fußball.

Für uns symbolisiert der Name LiBERO vor allem Freiheit der Bewegung, der Wahrnehmung, der Sprache und des Denkens. LiBERO soll das Ziel des Vereins ausdrücken, den Kindern mit Erkrankungen des Nervensystems ein Höchstmaß an Freiheiten in ihrer Lebensführung zu geben. LiBERO durchbricht die ihm gesetzten Grenzen zu mehr Freiheit und Lebensqualität.

So hat es Prof. Bauer verstanden und wir haben damals der „Hilfe für das Kind mit Krankheiten des Nervensystems e.V.“ dankbar diesen Namen gegeben.

Prof. F. Hanefeld

Foto von Prof. Bauer und Prof. Hanefeld